Archiv für den Monat: April 2013

Vernetzte Stadterkundung

RemoteBerlin1_560_StefanKaegi_uDokumentartheater-Inspirateur Stefan Kaegi von Rimini Protokoll ist am 9. Mai auf dem Eröffnungspodium „Netzgesellschaft“ dabei. Eine neue Vernetzungskreation bietet er gerade mit „Remote Berlin“ am HAU (Foto © Stefan Kaegi). Mit GPS-ähnlicher Steuerung und Klasse-Sounddesign geht’s quer durch die Stadt – eine Besinnung über Mensch und Maschine im digialen Zeitalter. Hier die Nachtkritik von der Premiere gestern Nachmittag.

Gastspiel auf der Konferenz: Theater Dortmund mit „Der Live Code“

Im Anschluss an das Gespräch zwischen Claus Peymann und Marina Weisband ist am 8. Mai abends in der Böll-Stiftung (bei freiem Eintritt) ein Gastspiel des Schauspiels Dortmund zu sehen: Der Live Code – Krieg und Frieden im globalen Dorf. Ein spannendes theatral-digitales Experiment mit ungewöhnlicher „Besetzung“: 3 Menschen, 8 Rechner, 5 Beamer, 8 Boxen, 1 Kinect 3D-Kamera. Auf der Webseite heißt es dazu:

Ein Theater-Projekt so voll außergewöhnlicher Komponenten, dass die Dreharbeiten mit Schauspielerin Eva Verena Müller im schwarzen 3D-Tracksuit als noch am wenigsten ungewöhnlicher Bestandteil erscheinen. Im Bühnenraum ein Ensemble aus Kabeln und Kameras, Routern und Rechnern – und Menschen: Videokünstler Daniel Hengst, Programmierer Rolf Meinecke und Musiker Martin Juhls haben sich, ihre Geräte und das world wide web zu einem Nervenknoten zusammengeschaltet, in dem die Grenzen zwischen Mensch und Maschine neu untersucht werden. Alles auf den Spuren jenes Mannes, der als einer der ersten mit aufgeheizten Synapsen seine Gedankenpflöcke im Spannungsfeld zwischen Menschen-Körper und Menschen-Technik einschlug: Marshall McLuhan (1911-1980).

Der Trailer:

Eröffnungsabend am 8. Mai mit Claus Peymann und Marina Weisband: Theaterkultur trifft Netzkultur

Theater versteht sich von jeher als Ort der Reflexion über Politik und Gesellschaft. Wie sieht es damit im Digitalzeitalter aus? Hat das Internet diese Selbstreflexionsfunktion übernommen? Gibt es Schnittmengen zwischen den politisch-gesellschaftlichen Anliegen von kritischen Theatermachern und Netzaktivisten? Kann man von- und miteinander lernen? Darüber sprechen am Eröffnungsabend der politische Theatermann Claus Peymann und die Netzpolitikerin und Autorin Marina Weisband.

Wir konnten die beiden dafür gewinnen, an einem vorbereitenden Experiment teilzunehmen:  Marina Weisband und Claus Peymann begeben sich auf kulturelle Forschungsreisen. Der Theatermann wird die Netzkonferenz re:publica besuchen und sich dort ein Bild davon machen, was die gesellschaftspolitisch aktive Netzgemeinde umtreibt. Im Gegenzug laden wir Marina Weisband ein, beim Theaterbesuch während des Theatertreffens eigene Anknüpfungspunkte und eventuelle Differenzen zu finden.

Im Gespräch am Eröffnungsabend sollen sie zum Meinungsaustausch kommen und eine Brücke schlagen zwischen den zwei Kulturen. Die Moderation übernimmt Albert Eckert

Das jetzt mit allen Panelteilnehmern komplette Konferenzprogramm finden Sie hier.
Als PDF-Download zum Ausdrucken und gerne auch Weiterleiten finden Sie es hier.

Eine Übersicht der Panelisten, Moderatoren, Workshopleiter finden Sie hier.

Das Panel „Kritiker in der Crowd“

Vor fast neunzig Jahren hat Bertolt Brecht eine Forderung an den Rundfunk aufgestellt, die sich heute mit den Möglichkeiten des Social Web realisiert findet. In seiner Radiotheorie schrieb er 1927:

Ein Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks: Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen.

Dieses „ungeheure Kanalsystem“ ist heute da. Auch für das Theater. Wo früher Künstler sich der Kritik eines Journalisten stellen mussten (anders gesagt: sich nur der öffentlichen Kritik von Journalisten gegenübersahen), da stehen sie heute in einem Stimmengewirr unterschiedlicher Meinungen, Angriffe, Verehrungen. Da gerät der Kritiker selbst in die Kritik (auch von Künstlern, die sich netzöffentlich wehren). Und all dies in einem vielfältigen Rollen- und Maskenspiel verschiedener Identitäten, Absichten und Plattformen.

Auf dem Panel „Der Kritiker in der Crowd“ versammeln sich vier Kritiker und Künstler, Kommentatoren und Moderatoren, Schreiber und Beschriebene, um über die unterschiedlichen Dimensionen des „Ungeheuren“ der Crowd nachzudenken und zu diskutieren: Der nachtkritik.de-Redakeur Wolfgang Behrens, der Blogger Sascha Krieger alias Prospero, der Regisseur und Ex-Intendant des Bochumer Schauspielhauses Frank-Patrick Steckel sowie der Theaterautor Nis-Momme Stockmann. Moderation: Ulf Schmidt.

Wir freuen uns auf spannende Debatten über eine Netzgesellschaft, die sich im Sinne Brechts bereits „in Beziehung gesetzt“ hat.

Theater in der Netzgesellschaft: Partizipative Politik + Ästhetik

Es gab doch mal Zeiten, da man friedlich in seinem Polsterstuhl im Parkett saß und durch die unsichtbare vierte Wand hindurch Repräsentationen bürgerlicher Subjektivität in klassischen Schauspielstücken betrachten konnte. Und heute? Da geht’s per Audio-Walk hinaus in die städtische Kälte. Der öffentliche Raum wird zur neuen Bühne, auf der nie vollends klar ist, wer jetzt Mitspieler und wer nur schrulliger Passant ist. Den guten alten Theatersaal entern derweil „Experten des Alltags“ und unprofessionelle Spiele aller Couleur.

Wie verändert diese Partizipationskunst das Repräsentationstheater alten Zuschnitts? Welche Formen der Teilhabe des Zuschauers am Bühnenereignis sind richtungsweisend? Wie weit kann das Publikum in die Spielplangestaltung von Häusern eingreifen? Wird der Zuschauer demnächst per Crowdfunding zum Ko-Produzenten von Theaterarbeiten?

Darüber diskutieren auf dem Panel „Theater in der Netzgesellschaft: Partizipative Politik + Ästhetik“ Torsten Michaelsen von der Radioperformergruppe LIGNA, die künstlerische Leiterin von transeuropa 2012 Hannah Pfurtscheller, der Netzaktivist Stephan Urbach und der Bürgerbühnen-Macher und Intendant des Staatsschauspiels Dresden Wilfried Schulz. Moderiert wird das Panel von dem Journalisten und nachtkritik.de-Mitgründer Dirk Pilz.

Open Spaces

Die Winterakademie am Berliner Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue ist halb Ferienvergnügen, halb Laboratorium des Gegenwartstheaters, wo Schüler gemeinsam mit etablierten Künstlern aktuelle gesellschaftliche Fragen ästhetisch untersuchen. In diesem Jahr ging es unter dem Titel „Sagen wir, wir sind das Netz“ um die Kunst der modernen Kommunikationssysteme. Mit dabei Künstler wie Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll, Gesine Danckwart, Invisible Playground, The Critical Engineers und viele mehr. Was dort Sache war, will der Leiter der Winterakademie Stephan Behrmann von der Parkaue in einer Open Space Session berichten.

Workshops – Zusätzliche Plätze verfügbar

Wir hatten bereits bei der Planung der Praxis-Workshops großes Interesse erwartet – dass es so groß würde, hatten wir nicht gedacht. Bereits jetzt sind die von uns ursprünglich geplanten Teilnehmerkapazitäten erschöpft. Deswegen freuen wir uns außerordentlich, eine dritte Workshopleiterin gewinnen zu können: Meike Bitzer von der Social Media Agentur TLGG wird das bisherige Team Florian Zühlke und Jonathan Lütticken erweitern. Es wird inhaltlich bei den beiden Themen „Plattformen“ und „Community-Management“ bleiben. Jedes dieser Themen wird nun aber auf der Konferenz dreimal inhaltsgleich parallel angeboten: Vormittags wird es also parallel dreimal „Plattformen“, nachmittags dreimal „Community-Management“ geben.

Wir haben die Zahl der Teilnehmer jeder Workshop-Veranstaltung auf 25 begrenzt, damit tatsächlich auch Austausch und Gespräch möglich sind. Das schränkte die Teilnehmerzahl auf 50 ein, die bereits jetzt ausgeschöpft sind. Durch Meike Bitzer gibt es nun weitere 25 Plätze für jedes der beiden Themen.

Wer teilnehmen möchte und sich noch nicht angemeldet hat, sollte das allerdings möglichst bald tun, denn eine weitere Vergrößerung des Angebots ist organisatorisch nicht mehr möglich.

Für die Workshops ist die Anmeldung über die Emailadresse konferenz@nachtkritik.de erforderlich. Als Unkostenbeitrag fallen 20 Euro pro Workshop und Teilnehmer an.

 

Panel „Kritik im Netz“

Wenn jemand über Veränderungen durch das Internet Auskunft geben kann, dann sicherlich Journalisten. Die Auflage gedruckter Zeitungen befindet sich im Sinkflug, Redaktionen werden reduziert, Verlage suchen händeringend nach Möglichkeiten, mit Online-Inhalten Geld zu verdienen. Dafür beginnen sie, die Inhalte hinter Bezahlschranken zu verstecken und verbieten durch Leistungsschutzrechtsgesetze die Auffindbarkeit durch Google.

Welche Auswirkungen hat dieser Wandel auf die Theaterkritik? Wie verändert sich die Arbeit und der Einfluss der Handvoll noch verbliebener fest angestellter Kritiker? Wie funktioniert das kritische Schreiben online und wie beeinflusst das direkte Leserfeedback die Denk- und Schreibweise von Kritikern? Braucht es überhaupt noch die klassische Kritik – oder sind Daumen hoch /Daumen runter, Likes und Sternchenbewertungen die Nachfolgemodelle? Und nicht zuletzt: Wie verdient man seinen Lebensunterhalt in der (angeblichen?) Kostenlos-Kultur des Netzes?

Klar ist, dass diese Veränderungen der Theaterkritik auch Auswirkungen auf Theater haben. Lange sorgten die Kritiker dafür, dass Theater auf kostengünstigem Weg breite Aufmerksamkeit bei Zeitungslesern bekamen. Sie machen neugierig, schaffen Zugänge zu herausfordernden und ästhetisch anspruchsvollen Arbeiten, sorgen für überregionale Diskurse und beförderten die ästhetische Erziehung der Zuschauer. Wie wird das in der Netzgesellschaft geschehen?

Darüber werden auf dem Panel „Kritik im Netz“ Christine Dössel (Theaterkritikern der Süddeutschen Zeitung), Esther Slevogt (nachtkritik.de), Tobi Müller (freischaffender Kulturjournalist) und der Theaterwissenschaftler Prof. Dr. Christopher Balme nachdenken und diskutieren.